Buh Stiftung

Preisträger 2023

Erster Preis:

Mit Gotteswort und Glaubensmut – Die Straßengottesdienste von Sand und Eckartsweier (Ortenaukreis)

Foto: Evangelische Bartholomäusgemeinde Sand

Sonntagmorgen, kurz vor 9.20 Uhr: Pfarrerin Britta Gerstenlauer der Evangelischen Bartholomäusgemeinde in Sand und Eckartsweier (Willstädt) macht sich auf den Weg zum Hof der Familie Oertel. Dort wird sie schon erwartet von der Familie, einem Bläserchor und einigen Menschen, die sich hier versammelt haben. Sie alle freuen sich auf – einen Gottesdienst im Miniaturformat mit ganz eigener Liturgie. Nach der Begrüßung werden – begleitet von den Bläsern – ein bis zwei Strophen gemeinsam gesungen, es folgen ein Gebet oder ein Psalm, eine Lesung, die Kurzpredigt, Fürbitten und das Vaterunser, an den passenden Stellen von Gesang unterbrochen, Abkündigungen, ein Segenslied und der Schlusssegen. Und zu guter Letzt hat die Pfarrerin ein zum Thema passendes „Mitgebsel“ für alle Teilnehmenden im Gepäck. Das alles dauert nicht länger als 20 Minuten, dann geht’s weiter für Pfarrerin Gerstenlauer zur Streuobstwiese, danach zur Neugasse/Hohnhursterstraße, zur Schutterstraße, in die Willstätterstraße und die Kehlerstraße. Die Stationen variieren.

Überall – auf der Straße, an Straßenecken, in Höfen, ausgeräumten Garagen, oder auch mal in einer Pergola erwarten sie einmal im Monat sonntags und auch einmal unter der Woche Menschen, die Gottes Wort hören und feiern wollen – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn nach dem Gottesdienst geht die Feier ins Weltliche über. Dann entsteht meist ein nachbarschaftliches Miteinander, ein Umtrunk, eine Geburtstagsfeier oder ein neuer Erdenbürger wird begrüßt. „Man ist hautnah bei den Menschen, am Geschehen im Umfeld der kirchlichen und der Ortsgemeinde“, berichtet Britta Gerstenlauer, „manchmal werden sogar Kasualien auf der Straße gefeiert!“ So zieht die Verkündigung ihre Kreise über die normale Gottesdienstgemeinde hinaus. Zufällige Passanten und Passantinnen bleiben stehen, kommen nach dem Gottesdienst ins Gespräch, andere Zielgruppen werden angesprochen. „Menschen erfahren: ‚Kirche und Gott – das hat ja auch ganz konkret etwas mit mir und meinem Leben zu tun!‘“, erzählt Gerstenlauer. Der Erfolg ist messbar. Doch das war nicht immer so. Als das Projekt im Corona-Jahr 2020 gestartet ist, gab es zunächst Bedenken und Widerstände: Es entstünde eine – sich auch in ihrer Liturgie verselbstständigende – Konkurrenz zu den Gottesdiensten in der Kirche, war die größte Sorge. Dabei ist das Projekt der Straßengottesdienste Teil des Gesamtkonzepts „Kirche zeigt sich“ der Bartholomäusgemeinde, das mehrere Aktivitäten und Aktionen zu verschiedenen Anlässen und Themen beispielsweise mit den Konfirmanden unter seinem Namen vereint, die allesamt ein Ziel haben: Kirche in der Ortsgemeinde sichtbar und erlebbar zu machen. Seit Sommer 2022 werden die Straßengottesdienste von den Gemeinden selber nicht mehr in Frage gestellt. Sie gehören dazu. Mehr dazu hier: Straßengottesdienste Sand

Als Begründung für die Vergabe des ersten Preises heißt es von der Jury:

„Das Kuratorium würdigt den radikalen Schritt der Gemeinde, ihren sicheren Kirchenraum zu verlassen und sich mit ihrem Gottesdienst auf die Straße zu begeben. Auch wenn der Ablauf der ‚Straßenliturgie‘ sich an klassischen Elementen orientiert, fordern die offenen und ungeschützten Orte veränderte flüchtige Verkündigungssituationen in dynamischer Interaktion mit den Teilnehmenden. Dadurch verändern sich die Zuschnitte der klassischen Rollen und erfordern und ermöglichen neue Formen der Partizipation. Verkündigungsinhalte müssen auf die neuen Situationen hin neu elementarisiert und lebensnah angeboten werden. Das durch die Auflagen der Corona-Pandemie indizierte Experiment kann so zum Muster einer neuen Form von Kirche werden, in dem der Paradigmenwechsel hin zu einer Kirche, die zu den Menschen geht, sichtbar wird.“

Zweiter Preis:

Mit großen Maschinen und großem Herz – Die Jesus Biker und ihr christlich-karitatives Engagement

Foto: © Jesus Biker

Der Papst – ein  Biker?! Zumindest ist er Ehrenmitglied der Jesus Biker. Sie sind die „etwas anderen“ Biker. „Jesus Christus – Weg, Wahrheit, Leben“, steht auf ihren Kutten. „Unser Präsident ist Jesus Christus, der Heilige Geist unser Road Captain“, bekennen sie. 77 sind es inzwischen, Katholiken, Protestanten, Freie Christen, Methodisten, Griechisch und Syrisch Orthodoxe, Neuapostolische und getaufte Christen ohne Kirchenanbindung, Männer und Frauen. Zwei essenzielle Dinge in ihrem Leben teilen sie miteinander: die Liebe zum Motorradfahren und das karitative Engagement, das in ihrem christlichen Glauben wurzelt. Ein zusätzlicher Mehrwert ist die gelebte Ökumene im Alltag, da sie stets auf Gemeinsamkeiten schauen, nicht auf das Trennende.

Ihr Gründer ist der Gesundheitswissenschaftler und Harley-Fahrer Dr. Thomas Draxler aus dem südhessischen Schaafheim. Von einem Patienten seiner Wirbelsäulentherapie, dem Präsidenten eines Biker-Clubs, der in anwerben wollte, bekam er 2014 seine Kutte geschenkt. „Ich trage nur das auf meiner Kutte, woran ich aus ganzem Herzen glaube: ‚Jesus Christus – Weg, Wahrheit, Leben‘“, hatte Draxler zunächst abgelehnt und auf einen Zettel zwei Schriftbanner und das Konstantinische Kreuz aufgemalt. Bei der nächsten Behandlung schenkte der Präsident seinem verdutzten Therapeuten eine Kutte. Auf dem Rücken hatte er selbst von Hand die aus Leder geschnittenen Schriften und Zeichen aufgenäht, die Draxler ihm aufgemalt hatte, und sie als dreiteiliges Patch angeordnet, wie in Motorrad-Clubs üblich. Draxler sah das ungewöhnliche Geschenk als Auftrag, diese Kutte zu tragen und die frohe Botschaft Jesu auf die Straßen zu bringen. Die Tage der Karwoche verbrachte er dann im Gebet und entwickelte die Symbolik für die restlichen Aufnäher, wie sie sich heute bei allen Jesus Bikern auf ihrem „heiligsten Kleidungsstück“ befinden.

Von Anfang an stand immer auch der Wunsch im Fokus, sich für die Schwachen der Gesellschaft einzusetzen. Das geschieht mitunter unkonventionell, entspricht aber dem Aufruf des Heiligen Vaters aus dem Jahr 2019: „Geht neue, kreative Wege!“. So haben sie im Jahr 2019 einen „Peace-Ride“ zum Papst unternommen und ihm eine – eigens für den Heiligen Vater kreierte – Harley überreicht. Päpstlich signiert wurde die Maschine dann versteigert, der Erlös ging an karitative Zwecke. Rund 55.000 Euro kamen zusammen durch diese Versteigerung, den Verkauf von Halstüchern zum „Peace-Ride“ und durch die Abgabe von 600 Litern handwerklich gebrautem „Mönchsgeheimnis-Bier“ an spendierfreudige Gäste auf der Wegstation bei der Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien. Im Flutjahr 2021 schafften sich die Jesus Biker eine Gulaschkanone an und reisten mit ihrer „Kanone der Nächstenliebe“ an die Ahr, um mit anzupacken. Und dies sind nur zwei Beispiele ihres vielfältigen Engagements. Auch so kann Verkündigung gelingen, denn mit ihrem Glauben halten Jesus Biker nicht hinterm Berg. „Wir haben nie offen missioniert oder irgendeine Mitglieder-Akquise betrieben“, sagt Draxler, „stets wurden Menschen, die auf der Suche nach einer Wende in ihrem Leben waren, auf uns aufmerksam“. Bei den Jesus Bikern gibt es weder Hierarchien, noch Pflichtveranstaltungen oder Mitgliedssbeiträge. Mehr dazu hier: Jesus Biker

© Jesus Biker

Als Begründung für die Vergabe des zweiten Preises heißt es von der Jury:

„In dem Projekt der Jesus-Biker würdigt das Kuratorium die Verkündigung christlicher Werte durch das vielfältige und ideenreiche karitative Engagement, das selbstorganisiert über konfessionelle Grenzen hinweg Gleichgesinnte zusammenführt. Ausgehend von der verbindenden Begeisterung für das Motorradfahren finden sie einen gesellschaftlich beachteten Ausdruck ihres christlichen Glaubens und setzen damit ein wichtiges Zeichen in einer Gesellschaft, die oft selbstbezogen und egoistisch scheint. Der Zusammenschluss fördert dabei die individuellen Fähigkeiten und Potentiale zum Nutzen ihres Einsatzes für Benachteiligte. Sie sind Verkünder der Hoffnung für Menschen in schwierigen Situationen und erfahren dabei Selbstwirksamkeit und Sinn.“

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